Was ist der Synodale Weg?

Für einen Weg der Umkehr und Erneuerung

„Die Katholische Kirche in Deutschland macht sich auf einen Weg der Umkehr und der Erneuerung.“ Mit dieser Aussage beginnt die Satzung, die für den Synodalen Weg nach einigen Diskussionen veröffentlicht wurde. Beide verantwortliche Institutionen, die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), haben diesen Synodalen Weg am 1. Advent 2019 begonnen.

In der Satzung heißt es z.B. auch: „In den Mittelpunkt stellen wir die Frage nach Gott und dem Weg, den er heute mit den Menschen gehen will. Wir sehen, dass es für viele Menschen die Kirche selbst ist, die das Bild Gottes verdunkelt.“ Als Aufgabe des Synodalen Weges wird festgehalten: „Der Synodale Weg der katholischen Kirche in Deutschland dient der gemeinsamen Suche nach Schritten zur Stärkung des christlichen Zeugnisses.“

Vier Foren

Bild: Christian Schmitt, pfarrbriefservice.de

In vier Synodalforen wurden folgende Themen bearbeitet:

  • „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche“,
  • „Priesterliche Existenz heute“,
  • „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“ und
  • „Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“.

Die Satzung regelt außerdem die Zusammensetzung und Befugnisse der Organe des Synodalen Weges (Synodalversammlung, Synodalpräsidium, Erweitertes Synodalpräsidium und Synodalforen). Der Synodale Weg war auf zwei Jahre angelegt, wurde wegen der Corona-Pandemie aber verlängert.

Beschlüsse ohne Rechtswirkung

Zur Möglichkeit der Beschlussfassung heißt es in der Satzung: „Die Synodalversammlung des Synodalen Weges fasst zur abschließenden Feststellung der Beratungsergebnisse Beschlüsse.“ Diese Beschlüsse haben allerdings keine Rechtswirkung. Sie sind erst verbindlich, wenn sie als Allgemeines Dekret der Deutschen Bischofskonferenz im Amtsblatt des Vorsitzenden oder als diözesane Gesetze durch den jeweiligen Diözesanbischof im diözesanen Amtsblatt veröffentlicht werden. Und „über die Umsetzung von Beschlüssen, die eine weltkirchliche Relevanz entfalten, entscheidet der Apostolische Stuhl“, heißt es auf www.dbk.de.

Ergebnisse aus der Sicht von Prof. Dr. Julia Knop

Bild: Sebastian Holzbrecher, pfarrbriefservice.de

Julia Knop (geb. 1977) ist Professorin für Dogmatik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt. Als Teilnehmerin des Forums „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche“ war sie aktiv an der Vorbereitung des Synodalen Weges beteiligt.

Synodalität mit angezogener Handbremse

Fünfte Vollversammlung zeigt das Problem der kirchlichen Machtstrukturen

Gut drei Jahre lang haben sich rund 230 Katholik:innen in Deutschland auf einen Synodalen Weg gemacht. Dabei war oft zu hören, dass die katholische Kirche Synodalität erst lernen müsse. Das stimmt. Zwar hat Papst Franziskus Synodalität zur Leitidee seiner Amtszeit gemacht. Aber darüber, was Synodalität bedeutet, besteht noch kein Konsens.

Denn Leitung ist in der katholischen Kirche bisher nicht synodal, sondern hierarchisch organisiert. Solange dieses hierarchische System nicht verändert wird, ist Synodalität eine reine Stilfrage: die Bitte an die Entscheidungsträger, also die Bischöfe und den Papst, die Gläubigen in der Phase der Beratung über Lehre und Leitung einzubeziehen und ihnen gut zuzuhören. Die Entscheidung liegt aber weiterhin bei den Bischöfen und dem Papst.

Der Synodale Weg in Deutschland sollte diese Dysbalance ausgleichen. Es sollte nicht nur gemeinsam beraten, sondern auch gemeinsam entschieden werden. Verantwortung für die künftige Gestalt der Kirche sollte geteilt werden.

Reformpotenzial beschnitten

Wo stehen wir heute? Aktuelle Themen wurden offen debattiert. Viele brachten sich ein. Auf der Ebene der Beratung gab es viele gelungene Momente von Synodalität. In der Entscheidungsfindung behaupteten die Bischöfe jedoch bis zum Schluss die privilegierte Rolle im hierarchischen System Kirche. Ihre Änderungsanträge – teils in letzter Minute eingebracht – standen faktisch nicht einfach zur Diskussion. Sondern sie markierten, zu welchen Reformen sie maximal bereit waren. In keinem Fall wurden die Texte dadurch ambitionierter; durchweg wurden Reformimpulse vielmehr zurückgenommen. Allen war klar, dass die nötige Zweidrittelmehrheit der Bischöfe nur erreicht werden würde, wenn die Synodalversammlung diesen Eingaben folgte. So geschah es auch. Was synodal möglich war, definierte also nicht das Einvernehmen in der ganzen Synodalversammlung, sondern der kleinste gemeinsame Nenner in der Bischofskonferenz.

Einmal mehr zeigte sich: Synodalität muss in der katholischen Kirche erst noch erlernt werden. Nötig ist der gute Wille aller Beteiligten – und nötig sind Strukturen, die auch im Konfliktfall gewährleisten, dass wirklich synodal beraten und entschieden wird.

Aus der Grauzone ins Licht der Öffentlichkeit

Fünfte Synodalversammlung beschließt Segnungsfeiern für gleichgeschlechtliche Paare

Ein Beschluss der fünften Synodalversammlung hat große öffentliche Aufmerksamkeit bekommen: Segensfeiern für Paare, die sich lieben. Gemeint sind Paare, die in der katholischen Kirche bisher keine sakramentale Ehe schließen können: zwei Frauen oder zwei Männer oder Paare in zweiter Ehe. Solche Segensfeiern gibt es vielerorts schon. Sie sind aber offiziell nicht erlaubt. Seelsorger:innen, die sie anbieten, und Theolog:innen, die sich dafür aussprechen, riskierten bisher Sanktionen.

Erst im März 2021 hatte die vatikanische Glaubenskongregation erklärt, die katholische Kirche sei nicht befugt, gleichgeschlechtlichen Paaren Gottes Segen zuzusagen. Daraufhin erhob sich ein Sturm der Entrüstung. Viele Gemeinden hängten Regenbogenfahnen an die Kirchtürme, um ihre Solidarität mit gleichgeschlechtlich liebenden Paaren auszudrücken und die Seelsorger:innen zu unterstützen, die trotz des römischen Verbots Segnungsfeiern anboten. Der Beschluss der Synodalversammlung holt nun diese Praxis ins Licht der Öffentlichkeit. Es soll eine offizielle Handreichung mit Segensfeiern für verschiedene Paarsituationen entwickelt werden. Erfahrungen sollen gesammelt und theologisch ausgewertet werden.

Mehr Wahrhaftigkeit in der Kirche

Der Beschluss der Synodalversammlung zu Segnungsfeiern für Paare, die sich lieben, ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr Wahrhaftigkeit in der Kirche. Weitere Schritte müssen folgen. Denn Liturgie, Lehre und Kirchenrecht sollten zumindest mittelfristig zusammenpassen. Die Synodalversammlung hat bereits im September 2022 dafür votiert, die diskriminierenden Lehraussagen des Katechismus zu Homosexualität zu korrigieren. Arbeitsrechtliche Reformen sind bereits in Kraft. Doch bis Diskriminierung und Ausschluss derer ein Ende nehmen, die nicht den offiziellen kirchlichen Moralvorstellungen entsprechen, ist es noch ein weiter Weg – aber jeder Weg beginnt ja bekanntlich mit dem ersten Schritt.

Vor allem die Grundlagentexte werden die (welt-)kirchliche Debatte herausfordern

Eine Bilanz des Synodalen Weges in Deutschland

Was hat der Synodale Weg bewirkt? Insgesamt fanden 15 Texte die nötigen Mehrheiten: eine Präambel und eine theologische Grundlegung (Orientierungstext) des Reformprozesses, je ein Grundtext der Synodalforen zu „Macht und Gewaltenteilung“, „Priesterlicher Existenz“ und „Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche“ sowie einige Handlungstexte aus jedem Forum. Der Grundtext des Synodalforums 4 „Sexualität und Partnerschaft“ wurde im September 2022 mangels bischöflicher Zustimmung nicht beschlossen.

Grundtexte legen die theologische Basis. Handlungstexte ziehen praktische Konsequenzen: Wer verpflichtet sich, bis wann was zu tun? Einige dieser Texte haben hohen Symbolwert. Andere holen gängige Praxis aus der Grauzone des eigentlich nicht Erlaubten in die kirchliche Öffentlichkeit, etwa das Votum zur offiziellen Einführung von Segensfeiern für Paare, die nicht ins Schema der kirchlichen Ehe-Lehre passen. Manche greifen Themen auf, über die schon seit Jahrzehnten debattiert wird, die in Rom aber immer wieder abgeblockt wurden: das Plädoyer für die „Laienpredigt“, den Frauendiakonat und die Aufhebung des Pflichtzölibats. Wieder andere Texte nehmen nötige Reformen in der Liturgie, im Kirchenrecht und im Katechismus in den Blick. Hier sind v. a. die verschiedenen Voten für einen neuen kirchlichen Umgang mit Homosexualität zu nennen. Die größte Zustimmung fanden Texte zur Verbesserung von Prävention und Intervention von sexuellem und geistlichem Missbrauch an Kindern, Jugendlichen und – neu – erwachsenen Frauen.

Votum der katholischen Kirche für wichtige Reformschritte

Mit diesen 15 Texten hat sich die katholische Kirche in Deutschland für wichtige und dringend nötige Reformschritte ausgesprochen. V. a. die Grundlagentexte werden die (welt-) kirchliche Debatte herausfordern und mittel- und langfristig weiterbringen. Ob die konkreten Schritte, die in den Handlungstexten empfohlen werden, tatsächlich kurzfristig umgesetzt werden (z. B. Segnungsfeiern, Laienpredigt), hängt am Reformwillen der einzelnen Bischöfe. Wo es um weltkirchliche Belange geht (Machtgefüge, Zölibat, Geschlechtergerechtigkeit, Sexuallehre), ist die Reformbereitschaft der römischen Behörden gefragt – doch die ist ja bekanntlich nicht besonders stark ausgeprägt.

Von Grenzen und Grenzüberschreitungen

Kritik am Synodalen Weg ist wichtig und hilfreich, wenn sie konstruktiv ist

Der Synodale Weg hat in der Kirche in Deutschland und weltweit große Aufmerksamkeit gefunden. Neben viel Zustimmung zu den Reformanliegen gab es auch Kritik. Kritik am Format des Synodalen Wegs übten v. a. konservative und reaktionäre Kräfte.

Seitens der römischen Kurie wurde moniert, dass Laien überhaupt in Beratung und Entscheidung einbezogen wurden – die Kirche sei aber keine Demokratie. Die Notwendigkeit von Reformen wurde ganz grundsätzlich bestritten: Es gebe in der Kirche keine Faktoren, die Missbrauch durch Kleriker begünstigen. Das ist freilich in vielen Studien gut belegt. Immer wieder wurde der Vorwurf laut, der Synodale Weg führe in eine Kirchenspaltung und gebe katholische Identität preis. Jegliche Veränderung müsse deshalb verhindert werden.

Je lauter, je besser?

Die Kritik nahm bisweilen sonderbare Formen an. Vor dem Konferenzort skandierten einige Katholik:innen den Rosenkranz – eine befremdliche Instrumentalisierung des Gebets. Schwerwiegender waren echte Grenzüberschreitungen. Synodal:innen, Bischöfe und Laien, wurden als Schismatiker und Häretiker bezeichnet. Es kursierten Totenzettel für einzelne Synodale. Die Gruppe Maria 1.0 nannte die liturgische Performance „verantwort:ich“ vom 9. März 2023 auf Twitter „satanisch“. Der Dom sei „entweiht“ worden. Mit dieser Performance hatten Künstler:innen, darunter Missbrauchsbetroffene, unser aller Verstrickung in Schuld und Missbrauch zum Ausdruck gebracht.

Das Evangelium definiert die Grenzen

Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, auch in der Kirche. Katholizität bedeutet immer Einheit in Vielfalt. Katholizität ist also immer inklusiv. Es geht nicht darum, Unterschiede einzuebnen, sondern ernsthaft über den Glauben ins Gespräch zu kommen. Toleranz ist von allen Seiten gefragt. Es braucht aber auch ein Einverständnis darüber, wann Grenzen überschritten werden. Diese Grenzen definieren Gott sei Dank nicht jene, die am lautesten schreien. Sondern diese Grenzen definiert das Evangelium: die Botschaft der Liebe und des Respekts vor dem Glauben des anderen.